DVB-I in Deutschland

Angela Bünger
Ein Überblick über den aktuellen Stand von DVB-I in Deutschland aus technischer Sicht sowie Schritte zur Markteinführung.

Einleitung

Streaming ist auf dem Vormarsch. Doch auch klassische Übertragungswege via Kabel, Satellit und terrestrischer Antenne spielen nach wie vor eine wichtige Rolle. Doch wie lässt sich lineares Fernsehen mit der IP-Welt verbinden? Hier kommt der DVB-I-Standard (Digital Video Broadcasting - Internet) ins Spiel: Er verbindet die traditionelle Rundfunkübertragung mit modernen Streaming-Technologien, behält dabei aber die gewohnte Benutzerfreundlichkeit des linearen Fernsehens bei. In Deutschland wurde diese Technologie bereits erfolgreich im Rahmen eines Pilotprojekts getestet und befindet sich nun in der Phase der systematischen Marktvorbereitung.

 

Erkenntnisse aus dem DVB-I-Pilotprojekt Deutschland

Integration von DASH-Livestreams und Servicelisten-Aggregation

Das 2022 initiierte deutsche DVB-I-Pilotprojekt zeigte die praktische Umsetzbarkeit der DVB-I-Technologie. Ein zentraler Erfolg war die Aggregation einer gemeinsamen Serviceliste, die sowohl öffentlich-rechtliche als auch private Fernsehveranstalter umfasste. Diese konsolidierte Liste wurde auf prototypischen TV-Geräten implementiert und getestet, wodurch eine einheitliche Bedienoberfläche für verschiedene Programmquellen realisiert wurde.

Darüber hinaus war eine nahtlose Integration von DASH-Livestreams (Dynamic Adaptive Streaming over HTTP) der öffentlich-rechtlichen Sender möglich. DASH als adaptives Streaming-Protokoll ermöglicht eine dynamische Anpassung der Videoqualität an die verfügbare Bandbreite und stellt somit eine robuste Lösung für IP-basierte Übertragungen dar.

 

Adaptive Übertragungswege und Umschaltverhalten

Ein Merkmal des getesteten DVB-I-Systems war die automatische Umschaltung zwischen verschiedenen Übertragungswegen. Beim Trennen der Testgeräte vom traditionellen Rundfunknetz erfolgte eine selbstständige Umschaltung auf IP-basierte Streams. Diese Hybridfunktionalität gewährleistet eine kontinuierliche Verfügbarkeit der Inhalte unabhängig von der verfügbaren Infrastruktur.

Die gemessenen Umschaltzeiten zwischen IP-Streams erwiesen sich als akzeptabel und lagen im moderaten Bereich, was für die Benutzerakzeptanz von entscheidender Bedeutung ist. Schnelle Kanalwechsel sind ein wesentliches Qualitätsmerkmal des linearen Fernsehens, das auch in der IP-basierten Umsetzung gewährleistet werden muss.

 

Integration ergänzender Dienste

Die technische Architektur von DVB-I ermöglichte eine schnelle und effiziente Integration verschiedener Zusatzdienste. Insbesondere die Einbindung von HbbTV (Hybrid Broadcast Broadband TV), erweiterten Content Guides und DRM-Authentifizierungssystemen verlief reibungslos. Diese Integrationsgeschwindigkeit ist ein wichtiger Indikator für die Flexibilität und Erweiterbarkeit der DVB-I-Plattform.

 

Public Value und regionale Programmvielfalt

Implementierung der Public Value-Empfehlung

Die deutsche DVB-I-Implementierung berücksichtigt explizit die Public Value-Empfehlung der Landesmedienanstalten. Diese Empfehlung definiert Rundfunkprogramme und Telemedienangebote, die einen besonderen Beitrag zur Meinungs- und Angebotsvielfalt leisten. DVB-I bietet technische Möglichkeiten, diese Public Value-Angebote durch prominente Platzierung und optimierte Auffindbarkeit zu fördern.

 

Geografische Personalisierung und Regionalität

Ein Aspekt der deutschen DVB-I-Umsetzung ist die geplante regionalrichtige Programmreihenfolge basierend auf Postleitzahleneingaben am TV-Gerät. Diese Funktionalität ermöglicht eine automatische Anpassung der Senderliste an regionale Gegebenheiten und soll die Präsenz regionaler Anbieter und Nischenprogramme stärken.

Für Anbieter regionaler Inhalte/Sender/Angebote eröffnet DVB-I damit neue Möglichkeiten der Reichweitensteigerung. Ihre Inhalte werden über die einheitliche Benutzeroberfläche leichter auffindbar, ohne dass Zuschauer separate Anwendungen starten müssen.

 

Organisationsstruktur der Markteinführung

Der Runde Tisch DVB-I als Koordinationsplattform

Die Markteinführung von DVB-I in Deutschland wird durch eine strukturierte Multi-Stakeholder-Kooperation vorbereitet. Der 2024 initiierte „Runde Tisch DVB-I“ fungiert als zentrale Koordinationsplattform und wird von den Landesmedienanstalten moderiert. Die Teilnehmer umfassen die wesentlichen Marktakteure: ARD, ZDF, ProSiebenSat.1 Media, RTL Deutschland, die Bundesnetzagentur, VAUNET (Verband Privater Medien) und den ZVEI (Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie).

Diese breite Beteiligung soll eine ausgewogene Berücksichtigung der Interessen aller Marktteilnehmer berücksichtigen und schafft die Grundlage für eine diskriminierungsfreie Markteinführung unter Beachtung medien- und kartellrechtlicher Bestimmungen.

 

Arbeitsgruppen-Struktur und Themenschwerpunkte

Seit Jahresbeginn 2025 arbeiten spezialisierte Arbeitsgruppen an den technischen und organisatorischen Details der DVB-I-Implementierung. Die Arbeitsgruppen fokussieren sich auf folgende Kernbereiche:

  • Produktdefinition: Erarbeitung einheitlicher Produktanforderungen für Inhalteanbieter und DVB-I-fähige Empfangsgeräte zur Gewährleistung der Interoperabilität.
  • Servicelisten-Management: Entwicklung von Betriebskonzepten für gemeinsame Servicelisten, einschließlich Governance-Strukturen und technischer Infrastruktur.
  • Diskriminierungsfreier Zugang: Ausarbeitung transparenter Zugangsregeln für Programmveranstalter verschiedener Größenordnungen.
  • Gerätezertifizierung: Definition von Zertifizierungsprozessen zur Sicherstellung der Standardkonformität von Empfangsgeräten.
  • Projektplanung: Erstellung eines detaillierten Zeitplans für die schrittweise Markteinführung.

 

Projektbüro und technische Koordination

Die operative Koordination erfolgt durch ein spezialisiertes Projektbüro bei der Bayerischen Medien Technik (bmt), einer Tochtergesellschaft der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien und des Bayerischen Rundfunks. Diese Organisationsstruktur soll sowohl die technische Kompetenz als auch die regulatorische Expertise für die komplexen Anforderungen der DVB-I-Einführung sicherstellen.

Parallel zu den regulatorischen und organisatorischen Arbeiten entwickelt die Task Force DVB-I der Deutschen TV-Plattform ein technisches Implementierungsprofil für Empfangsgeräte. Diese Parallelstruktur ermöglicht eine effiziente Abstimmung zwischen technischen Standards und Marktanforderungen.

 

Technische Implementierungsanforderungen

Geräteseitige Voraussetzungen

Die vollständige Nutzung der DVB-I-Funktionalitäten erfordert spezifische technische Fähigkeiten auf Seiten der Empfangsgeräte. Diese Anforderungen werden derzeit durch die Arbeitsgruppen des Runden Tisches in Abstimmung mit dem DVB-I-Standard und dem deutschen Implementierungsprofil der Deutschen TV-Plattform definiert.

Wesentliche technische Anforderungen umfassen die Unterstützung verschiedener Broadcast-Instanzen, die Fähigkeit zur dynamischen Servicelisten-Aktualisierung, die Integration von Metadaten-Standards und die Implementierung von Sicherheitsmechanismen für DRM-geschützte Inhalte.

Zertifizierungsverfahren und Qualitätssicherung

Die Entwicklung eines robusten Zertifizierungsverfahrens ist essentiell für die Gewährleistung der Interoperabilität zwischen verschiedenen Gerätherstellern und Inhaltanbietern. Die Arbeitsgruppe "Zugang und Zertifizierung" des Runden Tisches arbeitet an der Definition entsprechender Prüfverfahren und Compliance-Kriterien.

Ein standardisiertes Zertifizierungsverfahren wird nicht nur die technische Kompatibilität sicherstellen, sondern auch das Vertrauen der Verbraucher in die neue Technologie stärken und die Marktakzeptanz fördern.

 

Marktperspektiven und strategische Bedeutung

Konvergenz von Broadcasting und Streaming

DVB-I stellt eine komplett neue Form der Mediendistribution dar, der die traditionelle Trennung zwischen Broadcasting und Streaming aufhebt. Für Zuschauer bedeutet dies eine nahtlose Integration verschiedener Inhaltsquellen in einer einheitlichen Benutzeroberfläche, ohne dass separate Anwendungen für verschiedene Anbieter erforderlich sind.

Die Technologie ermöglicht es Fernsehsendern, ihre Reichweite zu erweitern und neue Zielgruppen zu erschließen, während gleichzeitig die Abhängigkeit von proprietären Streaming-Plattformen reduziert wird.

Regulatorische Implikationen

Die koordinierte Markteinführung unter Beteiligung der Medienregulierung gewährleistet die Einhaltung des deutschen Medienrechts und fördert die Vielfaltssicherung. Die explizite Berücksichtigung der Public Value-Prinzipien unterstreicht den gesellschaftlichen Auftrag des Rundfunks auch in der digitalen Transformation.

 

Fazit und Ausblick

Das deutsche DVB-I-Pilotprojekt hat die technische Machbarkeit und das Marktpotenzial der Technologie erfolgreich demonstriert. Die positiven Erfahrungen mit der Integration von DASH-Livestreams, der nahtlosen Umschaltung zwischen Übertragungswegen und der schnellen Einbindung von Zusatzdiensten bilden eine solide Grundlage für die kommerzielle Einführung.

Die strukturierte Herangehensweise über den Runden Tisch DVB-I mit seinen spezialisierten Arbeitsgruppen gewährleistet eine umfassende Berücksichtigung aller relevanten Aspekte von der technischen Standardisierung bis zur regulatorischen Compliance. Die Einbeziehung aller wesentlichen Marktakteure schafft die Voraussetzungen für eine erfolgreiche und diskriminierungsfreie Markteinführung.

DVB-I stellt somit nicht nur eine technische Neuerung dar, sondern auch einen wichtigen Schritt zur Zukunftssicherung des linearen Fernsehens in einer zunehmend IP-basierten Medienlandschaft. Die deutsche Implementierung kann als Modell für andere europäische Märkte dienen und zur weiteren Standardisierung und Verbreitung der Technologie beitragen.

Die erfolgreiche Einführung von DVB-I wird maßgeblich von der weiteren Zusammenarbeit aller Beteiligten, der zeitgerechten Fertigstellung der technischen Standards und der Akzeptanz durch Gerätehersteller und Verbraucher abhängen. Die bisherigen Fortschritte lassen jedoch eine positive Entwicklung erwarten.

 


Bild oben: Pexels, Kaboompics.com

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