„Musiktheater brauchen andere Lösungen“

FKTG-Journal
Thomas Rock, Director of Operations von Plura über Entwicklung und Einsatz des Fast-Mode-Systems für Liveproduktionen.

FKTG-Journal: Was war die größte technische Herausforderung bei der Entwicklung des Fast-Mode-Systems und wie wurde sie gelöst?

Thomas Rock: Die größte Herausforderung war eigentlich keine technische, sondern die, unsere amerikanischen Kollegen davon zu überzeugen, einen Fast-Mode für unsere Monitore zu entwickeln. Denn das war bis dahin in der Broadcast-Welt sehr selten gefordert.

Wir bekamen aber viele Anfragen von Systemhäusern, mit unseren Monitoren an Latenztests teilzunehmen, und wir waren immer genauso langsam wie alle anderen. Da wollten wir besser werden und haben uns intensiv mit dem Thema Fast-Mode beschäftigt.

Ein zentrales Thema in der digitalen Videoproduktion sind die Latenzen, die sich bei der Signalverarbeitung in allen Prozessstufen ergeben: von der Kamera über etwaige Umschalter bis zum Ausgabegerät, dem Monitor. Das war bei analogen Videosignalen mit Röhrenmonitoren anders, die Übertragung war praktisch latenzfrei. Deshalb scheuen sich heute noch viele Theater, den Umstieg auf digitale Videoübertragungen zu wagen.

Aber die alte Technologie stirbt aus und Musiktheater brauchen andere Lösungen. Wir haben uns der benötigten Geschwindigkeit immer weiter angenähert. Mit zahlreichen Tests und immer weiteren Optimierungen des Processings im Monitor haben wir dann nach einem Jahr eine Latenzzeit von 16–18 Millisekunden erreicht. Von der Kameralinse bis zum Monitor Display.

Dirigenten und technische Direktoren schätzen diese bisher unerreichte Geschwindigkeit ebenso wie die Skalierbarkeit. Denn wir bieten diese Lösung für alle Monitore von 9 bis 86 Zoll an – damit stehen wir weltweit an der Spitze.

 

Wie genau schafft es das System, die übliche digitale Latenz nahezu vollständig zu eliminieren?

Eigentlich ist es ganz einfach, weil wir alles Unnötige weglassen. Wir umgehen beim Processing die üblichen Zwischenspeicherungen (Frame Buffering) und verzichten weitgehend auf alles, was das Signal verzögert und für diese spezielle Anforderung nicht gebraucht wird. Entscheidend ist ein kontrastreiches, klares Bild – viele Orchestermusiker blicken primär auf ihre Noten und erfassen den Dirigenten oder dessen Livebild nur im peripheren Sichtfeld.

 

 

Test-Setup des Fast-Mode Systems (alle Bilder: Plura)

 

Welche Rolle spielt die verwendete Spezialkamera? Gibt es hier eine Eigenentwicklung?
Die Kamera ist zentral und wurde speziell für diese Anwendung gemeinsam mit unserem Technikpartner LMP entwickelt. Sie erfüllt alle Anforderungen, die für Livemusik entscheidend sind: schnelle Bildwandlung, direktes Ausspielen des Videosignals, kompakte, robuste und sehr zuverlässige Bauweise, Fernsteuerung (CCU) sowie die Langlebigkeit aus Erfahrungen jahrzehntelanger TV-Sportproduktionen.

In Vergleichstests zeigte sich, dass diese Kamera in unserem System das Bild noch ein paar Zeilen schneller aufbaut und überträgt. Die eigenen Labormessungen wurden in der Wiener Staatsoper, gemeinsam mit unserem österreichischen Vertriebspartner AV-Professional, mit einer Highspeed-Kamera (1.000 fps) bestätigt – woraufhin wir das Shootout und den Auftrag gewonnen haben.

 

Was unterscheidet den Fast-Mode-Monitor technisch von herkömmlichen Broadcast-Monitoren?
Jedes Display hat konstruktionsbedingte Laufzeiten, die sich nur bis zu einem gewissen Grad optimieren lassen. Diesen Punkt haben wir ausgereizt und monatelang an der Steuerung gearbeitet. Im Fast-Mode werden die Bildpunkte direkt angezeigt, ohne zusätzliche Signalverarbeitung wie etwa Farbprofilanpassungen. Ziel ist es, den Takt des Dirigenten in nahezu Echtzeit an alle Musiker zu übertragen.

Das unterscheidet sich deutlich von herkömmlichen Broadcast-Monitoren: In der Bildregie steht ein ausgewogenes, ästhetisches Bild im Vordergrund – es geht um Farbwerte, Helligkeit, Kontrastverhalten, Blickwinkelstabilität und vieles mehr. Kameras und Zuspieler werden dort exakt aufeinander abgestimmt. Ob der finale Stream ein paar Frames früher oder später rausgeht, ist selbst bei Liveproduktionen meist irrelevant.

 

Wie wird das System an einem Haus wie der Wiener Staatsoper konkret eingesetzt?
Die Wiener Staatsoper nutzt unsere Lösung seit 2024 und baut das System kontinuierlich aus. Im Orchestergraben können nicht alle Musiker den Dirigenten direkt sehen – das Livebild lässt sich daher beliebig oft reproduzieren und wird auf mehreren Monitoren zeitgleich ausgestrahlt.

Auch in anderen Räumen sehen die Künstler den Dirigenten und können Einsätze, Tempo und dramaturgische Bögen erfassen. Da das Videosignal einfach per SDI verteilt wird, ist das System sehr flexibel einsetzbar und erweiterbar.

 

Welche Rückmeldungen erhalten Sie von Dirigenten und Musikern zur Praxistauglichkeit?
Wir erhalten viel positive Resonanz aus der Show- und Theaterszene. Deshalb haben wir uns im Mai auf die Showtech nach Berlin gewagt, wo sich technische Direktoren, Tonmeister und Bühnentechniker treffen. Unsere Fast-Mode-Lösung wurde dort praktisch durchgehend präsentiert und begutachtet. Offenbar herrscht großer Leidensdruck bei Dirigenten und Musikern – die Anforderungen steigen oft bei sinkenden Produktions Budgets. Es gibt also definitiv einen Markt für nachhaltige, flexible Lösungen.

 

Wie einfach lässt sich das System in bestehende Bühnen- oder Produktionsinfrastrukturen integrieren?
Plug and Play: Die Integration ist wirklich einfach und schnell erledigt. Die Kamera wird per SDI an einen oder mehrere Monitore angeschlossen, egal ob diese gleich oder unterschiedlich groß sind. Wir müssen nichts wandeln oder konvertieren; das Videosignal kann über ein betriebssicheres SDI-Netz beliebig verteilt werden.

 

Wie positioniert sich Plura mit diesem Produkt auf dem internationalen Markt – eher als Nischenlösung oder als breiter Standard?

Im Vergleich zum riesigen Consumer-Markt, sind die Bereiche Broadcast und Theater Nischen. In der Theaterwelt sind wir noch ein Geheimtipp. Aber wir sind optimistisch, dass wir uns dort als Standard durchsetzen und mehr in diesen Markt reinwachsen.

Im Broacast-Markt ist die Marke Plura bereits etablierter Industriestandard. Bei Ausschreibungen von Sendern, Produktionshäusern und großen Verleihern weltweit sind wir  seit vielen Jahren gesetzt. Darüber hinaus gehen immer mehr Rundfunkanstalten und Theater in den IP-Bereich – da passen unsere vollintegrierten IP-Monitore ebenso perfekt wie unseren Timing- und Signal-Processing-Lösungen.

Dennoch sind wir kein Massenmarktanbieter, sondern richten uns gezielt an anspruchsvolle Unternehmen, die maßgeschneiderte Lösungen suchen.

 

Welche Weiterentwicklungen sind geplant, etwa im Bereich IP-Integration oder Remote Collaboration?
Bei Video-over-IP sind wir ganz vorne dabei. Wir haben den IP-Bereich mitgestaltet – als erste in der Industrie, die 4K-IP-Monitore gebaut und vollständig integrierte Menüs angeboten haben. IP in der Videoproduktion wird auch in Deutschland immer selbstverständlicher, und weltweit spüren wir, wie dieser Markt anzieht. Das passt zu Entwicklungen wie global vernetzten Medienproduktionen, bei denen Infrastrukturen, Serverkapazitäten und Arbeitskräfte gemeinsam genutzt werden.

Und es macht auch wirtschaftlich Sinn, ressourcenbewusst zu produzieren. Wir erforschen gemeinsam mit großen Systemintegratoren neue Wege, IP-Processing  kontinuierlich schneller, redundant und endlos skalierbar zu gestalten. Deshalb arbeiten wir mit Partnern wie Fraunhofer (JPG XS), der Hochschule Mainz (Forschungsgruppe WIMM) und setzen auf offene Standards (IPMX), um Bandbreiten für Remoteproduktionen optimal zu nutzen. Letztlich ist auch unser Fast-Mode-System ein Werkzeug, um musikalisch-kollaborativ und technisch-synchron in eine gute Resonanz mit unseren Kunden zu kommen.

 

Herr Rock, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Angela Bünger.


Aufmacherbild: Thomas Rock

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