Integration von Künstlicher Intelligenz in Change-Management-Prozesse der Medienbranche
Zusammenfassung:
Im Gespräch mit Kim Seidler, Lead Consultant im Bereich Media & Entertainment, erkunden wir die transformative Rolle der Künstlichen Intelligenz (KI) im Change Management. Seidler teilt ihre Einblicke in die Herausforderungen und Chancen, die sich aus der Integration von KI in traditionelle Geschäftsprozesse ergeben. Das Interview beleuchtet, wie KI die Dynamik von Veränderungsprozessen beeinflusst, von der Entscheidungsfindung bis hin zur Führung von Mitarbeitenden und Kundeninteraktion. Zudem soll aufgezeigt werden, wie Unternehmen durch die Anpassung an diese Technologien nicht nur überleben, sondern in einem sich ständig verändernden Markt gedeihen können.
Über Kim Seidler: Kim Seidler hat die deutsche Medienbranche aus verschiedenen Perspektiven kennengelernt. Bevor sie es sich zur Aufgabe machte, die Digitalisierung von Medienhäusern von außen voranzutreiben, war Seidler bei Bertelsmann and ProSiebenSat.1 im Strategiebereich tätig. Ihr Wechsel zu Eviden, einem Unternehmen der Atos Gruppe, erfolgte im Jahr 2022. Seit 2023 unterrichtet sie an der Hochschule für Theater und Musik München im Master Digitale Kommunikation Change Management.
FKTG: Wie beeinflusst Künstliche Intelligenz die Change-Management-Prozesse speziell in der Medienbranche?
Kim Seidler: Die Frage zielt auf einen sehr relevanten Punkt ab. In Bezug auf Medienunternehmen kann Künstliche Intelligenz sowohl Auslöser als auch Unterstützer von Change-Management-Prozessen sein. Zum einen kann die Einführung von KI-Technologien selbst einen Wandel erforderlich machen, um mit den Veränderungen in der Medienlandschaft Schritt zu halten. Zum anderen kann KI im Verlauf des Change Managements eingesetzt werden, beispielsweise durch die Schaffung personalisierter Nutzererfahrungen, die den Übergang für Mitarbeiter und Kunden erleichtern. KI besitzt das transformative Potential, Change Management in Medienunternehmen in jeder Hinsicht grundlegend zu erneuern und zu verbessern.
FKTG: Dann bleiben wir doch erst einmal bei den Auswirkungen von KI auf die Medienindustrie, was sind die Einsatzbereiche von KI in der TV-Produktion?
Kim Seidler: Es gibt viele verschiedene Einsatzbereiche entlang der gesamten Media Supply Chain, von der ersten Idee bis zur Distribution. Da wären etwa die Möglichkeiten:
- Ideenfindung bzw. Ideenentwicklung: Ein Broadcaster nutzt KI-Tools zur Analyse von Zuschauerdaten und sozialen Medien, um Trends und Präferenzen zu identifizieren. Das führt zur Entwicklung einer Serie, die aktuelle Interessen widerspiegelt, wie etwa eine Dramaserie basierend auf aufkommenden sozialen Bewegungen.
- Drehbuchentwicklung: KI-basierte Software wird eingesetzt, um Drehbücher auf Basis von erfolgreichen Mustern zu analysieren und Vorschläge für Dialoge oder Plot-Entwicklungen zu generieren, die wahrscheinlich eine positive Resonanz beim Publikum finden.
- TV-Produktion: Während der Produktion verwenden Teams Virtual-Reality-Technologien, um Sets zu visualisieren und KI für die Automatisierung von Kameraeinstellungen, basierend auf der Analyse erfolgreicher Szenenkompositionen aus vergleichbaren Produktionen, einzusetzen.
- Postproduktion: KI-gestützte Editier-Software ermöglicht die automatische Farbkorrektur und Audioabmischung, indem sie Referenzmaterial aus der Medienbibliothek des Broadcasters analysiert. Zudem wird KI für die Auswahl der besten Takes und für Effizienz in der Schnittphase genutzt.
- Distribution: Ein Broadcaster nutzt Predictive Analytics, um die optimalen Sendezeiten und Plattformen (z. B. Streaming vs. traditionelles TV) für die Premiere einer Serie zu bestimmen, basierend auf dem Nutzungsverhalten und den Vorlieben der Zielgruppe.
- Nachrichtenproduktion: Für die schnelle Erstellung von Nachrichteninhalten wird KI eingesetzt, um relevante Themen aus sozialen Medien und anderen Nachrichtenquellen zu aggregieren. Automatisierte Systeme generieren vorläufige Nachrichtenentwürfe, die von Journalisten überprüft und verfeinert werden, um Aktualität und Relevanz zu gewährleisten.
Diese fortschrittliche Integration von KI in die TV-Produktion führt zu grundlegenden Veränderungen in Arbeitsabläufen, Kompetenzanforderungen und der Organisationsstruktur innerhalb von Medienunternehmen. Um diese Transformation erfolgreich zu gestalten, ist ein gezieltes Change Management unerlässlich. Es muss sicherstellen, dass Mitarbeitende auf allen Ebenen nicht nur technisch, sondern auch in Bezug auf neue Arbeitsweisen und Innovationskultur geschult und unterstützt werden.
FKTG: Es geht also nicht nur um die Technologie als solches…
Kim Seidler: Genau, sondern es geht dabei auch um die Schaffung einer adaptiven Unternehmenskultur, die Offenheit für Veränderungen, kontinuierliches Lernen und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit in interdisziplinären Teams fördert. Change Management in diesem Kontext umfasst auch die Entwicklung neuer Führungsansätze, die Mitarbeitende dazu ermutigen, experimentell vorzugehen und aus Fehlern zu lernen, sowie die Implementierung von Unterstützungssystemen, die den Übergang erleichtern.
Eine effektive Change-Management-Strategie in Medienunternehmen, die KI in ihre TV-Produktionsprozesse integrieren, muss daher auf mehreren Ebenen ansetzen: Sie sollte technologische Schulungen, die Förderung einer innovationsfreundlichen Kultur, die Anpassung organisatorischer Strukturen und die Entwicklung von Führungskräften umfassen, die in der Lage sind, ihre Teams durch den Wandel zu führen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Einführung von KI-Technologien nicht nur die Effizienz und Kreativität in der Produktion steigert, sondern auch nachhaltig zum Erfolg des Unternehmens beiträgt.
FKTG: Welche spezifischen Herausforderungen birgt die Integration von KI in traditionelle Managementprozesse?
Kim Seidler: Eine der größten Herausforderungen ist sicherlich der Kulturwandel. Viele Unternehmen haben Strukturen und Denkweisen, die tief in der Vergangenheit verwurzelt sind. Die Einführung von KI erfordert ein Umdenken, einen Wandel von einer oft hierarchischen zu einer agileren, datengetriebenen Kultur. Hinzu kommt die Notwendigkeit, Mitarbeiter in neuen Technologien zu schulen und gleichzeitig ethische Überlegungen in den Vordergrund zu rücken.
FKTG: Und welche Chancen eröffnen sich durch diesen Wandel?
Kim Seidler: Die Chancen sind enorm. KI ermöglicht es uns, Entscheidungen auf der Grundlage von Daten und nicht von Vermutungen zu treffen. Dies kann die Effizienz steigern, Risiken minimieren und letztlich zu einer höheren Kundenzufriedenheit führen. KI kann auch dabei helfen, die Mitarbeiterzufriedenheit zu erhöhen, indem sie routinemäßige Aufgaben automatisiert und den Mitarbeitern ermöglicht, sich auf kreativere und strategischere Aufgaben zu konzentrieren.
FKTG: Wie sollte ein Unternehmen beginnen, KI in seine Change Management-Strategie zu integrieren?
Kim Seidler: Ein guter Startpunkt ist die Bestandsaufnahme der aktuellen Prozesse und Technologien. Unternehmen sollten identifizieren, wo KI den größten Einfluss haben könnte und wo es an den notwendigen Fähigkeiten oder Ressourcen mangelt. Die Entwicklung einer klaren Strategie, die sowohl kurzfristige als auch langfristige Ziele umfasst, ist entscheidend. Ebenso wichtig ist es, eine Kultur der Offenheit und des lebenslangen Lernens zu fördern, um die Akzeptanz und Anpassung an die neuen Technologien zu erleichtern.
FKTG: Zum Abschluss, welche Zukunftstrends sehen Sie in Bezug auf KI und Change Management?
Kim Seidler: Ich sehe mehrere entscheidende Zukunftstrends an der Schnittstelle von Künstlicher Intelligenz (KI) und Change Management:
- Integration von KI in Entscheidungsprozesse: KI wird zunehmend in die strategischen Entscheidungsprozesse von Unternehmen integriert, um datengestützte Einsichten zu liefern, die Change Management-Initiativen vorantreiben. Dies beinhaltet die Nutzung von KI für präzisere Prognosen, Risikoanalysen und die Identifizierung von Optimierungspotenzialen in Geschäftsprozessen.
- Personalisierte Change Management Erfahrungen: Durch den Einsatz von KI können Change Management-Programme personalisierter gestaltet werden, um die Akzeptanz und das Engagement der Mitarbeitenden zu erhöhen. KI-Tools können dabei helfen, die individuellen Bedürfnisse und Präferenzen der Mitarbeitenden zu verstehen und maßgeschneiderte Lern- und Entwicklungswege anzubieten.
- Automatisierung von Routineaufgaben: Die Automatisierung von Routineaufgaben durch KI schafft Kapazitäten für das Change Management-Team, sich auf strategischere und wertgenerierende Aktivitäten zu konzentrieren. Dies ermöglicht eine effizientere Ressourcenallokation und eine schnellere Umsetzung von Veränderungsmaßnahmen.
- Förderung einer lernenden Organisation: KI-Technologien fördern die Entwicklung lernender Organisationen, indem sie kontinuierliches Lernen und Anpassung unterstützen. Durch den Einsatz von KI-gesteuerten Analysen und Feedback-Schleifen können Unternehmen agiler auf Veränderungen reagieren und eine Kultur der kontinuierlichen Verbesserung etablieren.
- Ethik und Verantwortung in der KI: Mit dem zunehmenden Einsatz von KI im Change Management steigt auch die Notwendigkeit, ethische Überlegungen und Verantwortung in den Mittelpunkt zu stellen. Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre KI-Anwendungen transparent, fair und inklusiv sind, um das Vertrauen der Stakeholder zu gewinnen und zu erhalten.
FKTG: Vielen Dank für das Gespräch.