Toolkit macht Computerspiele barrierefrei

FKTG-Journal

Entwicklung des Game Lab der TU Graz für Spiele-Engine Unity für Spieler*innen mit Sehschwächen.

Nicht nur in Film und Fernsehen, auch in Videospiel-Produktionen spielt das Thema Barrierefreiheit eine wichtige Rolle. Während bei großen Spielerproduktionen mehr und mehr zuschaltbare Accessibility Features berücksichtigt werden, fehlen sie bei Indie-Produktionen oft aufgrund fehlender Ressourcen. 

Damit entsprechende Features leichter implementiert werden können, hat Klemens Strasser im Rahmen seiner Masterarbeit am Institute of Interactive Systems and Data Science der TU Graz ein frei zugängliches Toolkit für die Spiele-Engine Unity entwickelt, das auf GitHub kostenlos zur Verfügung steht. 

Damit lassen sich unterstützende Werkzeuge für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen in ein Spiele-Projekt integrieren. Das Toolkit und einen Handlungsleitfaden für mehr Zugänglichkeit in Spielen hat Strasser gemeinsam mit Johanna Pirker vor kurzem in einem Paper vorgestellt (Link zum englischen Original).

Hilfe bei der Orientierung für Sehbeeinträchtigte

Bei der Erstellung eines entsprechenden „Werkzeugkastens“ konzentrierte sich Strasser auf vier Punkte: 

  • Unterstützung bei der Bedienung von Menüs
  • bei der Wahrnehmung der Spiel-Umgebung sowie
  • bei der Steuerung auf einem fixen Raster und
  • bei der freien Navigation, falls die Spielfigur sich in alle Richtungen bewegen kann. 

Die ersten drei Punkte löste Strasser mit einem Screenreader, für die freie Navigation wurde ein sogenannter Navigation Agent implementiert: Dieser steuert die Spieler*innen per Audiosignal zu einem von ihnen festgelegten Ziel, nachdem er den Weg dorthin berechnet hat.

 


Auf einem vorberechneten Weg steuert der Navigation Agent die Spieler*innen per Audiosignal ans Ziel. (Quelle: Klemens Strasser)

 

Für die Screenreader-Lösung zur Umgebungswahrnehmung, erleichterten Menübedienung und Steuerung auf einem Raster wurden zunächst alle sichtbaren und nutzbaren Objekte sowie Charaktere auf dem Bildschirm erfasset. Dafür kam ein als Accessibility Signifier bezeichnetes Tool zum Einsatz, das die Elemente erkennt und ihnen eine Bezeichnung, Eigenschaften, einen Zustand und eine Beschreibung zuordnet. Diese Informationen übergibt das Spiel an den von den Spieler*innen genutzten Screenreader, der sie ihnen vorliest.

Positives Feedback von Experten aus der Spiele-Entwicklung

Die Evaluierung des Toolkits erfolgte in einem Test mit neun Spiele-Entwickler*innen, die laut Information der TU Graz alle einen universitären Hintergrund im Software Engineering haben. Sie sollten es in einem einfachen Match-3-Spiel implementieren, bei dem es gilt, drei gleiche Symbole oder Elemente durch Verschieben nebeneinander anzuordnen. 

Die Rückmeldungen der Entwickler*innen seien dabei durchwegs positiv ausgefallen. Die Implementierung wurde als einfach bezeichnet, die Aufgabe war leicht verständlich und sie fanden sich im Toolkit gut zurecht.  Vor dem Test hatten erst drei der Entwickler*innen mit Accessibility Features gearbeitet, danach wollte ein Großteil sie für ihr nächstes Projekt einsetzen.

Klemens Strasser: „Spiele sollen möglichst allen Menschen offenstehen, daher ist es so wichtig, sie auch für Menschen mit Beeinträchtigungen zugänglicher zu machen. Mit dem Accessibility Toolkit für Unity möchten wir die Implementierung dieser Möglichkeiten auch für Indie-Entwickler*innen möglichst einfach gestalten.“

Da weltweit laut WHO etwa 253 Millionen Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung lebten, ließe sich damit bereits eine sehr große Gruppe inkludieren. Dennoch sei noch viel zu tun, da es zahlreiche weitere Beeinträchtigungen gebe, für die einfach umsetzbare Lösungen bereitgestellt werden müssten. An derartigen Lösungen und weiteren Themen bezüglich Accessibility zu Computerspielen werde am Game Lab der TU Graz laufend geforscht.

 


Klemens Strasser

 

Über Klemens Strasser

Klemens Strasser beschäftigt sich seit einigen Jahren mit dem Thema Zugänglichkeit zu Spielen. Schon während des Studiums und nach seinem Masterabschluss in Computer Science an der TU Graz hat er selbstständig Spiele entwickelt, die den Aspekt der Barrierefreiheit berücksichtigen. 2015 gewann er mit seinem Spiel „Elementary Minute“ den Apple Design Award in der Kategorie Student, in der Kategorie Inclusivity war er 2022 mit „Letter Rooms“ und 2023 mit der „Ancient Board Game Collection“ für den Preis nominiert. Seine für iOS veröffentlichten Spiele sind bislang über 200.000-mal heruntergeladen worden.

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