Diskriminierende Sprache in Archivdaten erkennen und beheben

FKTG-Journal

Im EU-Projekt DE-BIAS unter Leitung des DFF wird ein Werkzeug entwickelt, das problematische Begriffe in Archivdaten erkennt und Kontextualisierungen vorschlägt. Die Anwendung soll in fünf Sprachen zur Verfügung stehen.

Sprache ist einem ständigen Wandel unterzogen und einige Begriffe stellen sich im Laufe der Jahrzehnte als problematisch heraus. Für Archive, deren Bestände und Kataloge teilweise seit Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten bestehen, ist Sprache mit Blick auf die Verschlagwortung der Sammlungen daher ein brisantes Thema, dem sich das Projekt DE-BIAS nun angenommen hat. 

Das EU-Projekt entwickelt unter Leitung des DFF zusammen mit zehn Partner-Institutionen ein Werkzeug, das problematische Begriffe in Sammlungsbeschreibungen von Archiven automatisiert erkennt und Kontextualisierungen sowie Alternativbegriffe vorschlägt. Es kann in fünf Sprachen – Englisch, Französisch, Deutsch, Italienisch, Niederländisch – angewendet werden.

Werkzeug gegen diskriminierende Sprache

Das neue Tool greift dabei auf ein Vokabular zurück, das problematische oder diskriminierende Begriffe umfasst und diese im offenen und frei zugänglichen Online-Portal Europeana, das die digitalisierten Bestände von mehr als 5.000 europäischen Archiven, Museen und vergleichbaren Einrichtungen durchsuchbar macht, markiert und zeitgemäße Begriffe vorschlägt. Das verwendete Vokabular speist sich dabei zum einen aus den Ergebnissen anderer Initiativen und Projekte wie dem niederländischen „Words Matter“ oder dem internationalen Linked-Data-Vokabular von LGBT*IQA-Begriffen, „Homosaurus“, es wird aber im Rahmen von DE-BIAS überarbeitet, aktualisiert und erweitert.


Projektlogo DE-BIAS

Themenschwerpunkte von DE-BIAS

Vier der elf Partnerorganisationen arbeiten für das Projekt an drei Themenschwerpunkten: „Sexuelle Identität und Gender“ (European Fashion Heritage Association), „Kolonialismus und Migration“ (Katholische Universität Leuven und das Niederländische Institut für Sound und Vision) sowie „Antisemitismus in der Sprache“ (DFF in Zusammenarbeit mit Lea Wohl von Haselberg von der Filmuniversität Potsdam Babelsberg). Angeboten habe sich das Thema „Antisemitismus“ für das DFF laut Projektleiterin Kerstin Herlt (DFF) auch mit Blick auf die Sammlungsbestände des DFF, etwa zum bedeutenden deutsch-jüdischen Filmproduzenten Artur Brauner sowie zum Filmregisseur Viktor Vicas; aber auch, weil somit, nach der Beteiligung an Forschungsprojekten wie der „Cinematographie des Holocaust“, zum jüdischen Filmschaffen in Deutschland oder der „Visual History of the Holocaust“ ein langjähriger Forschungsschwerpunkt fortgesetzt wird.

Alle vier Partner arbeiten dabei in eigens organisierten Workshops eng mit den jeweiligen marginalisierten Gruppen zusammen, um eine Kontextualisierung samt möglicher Alternativbegriffe zu erarbeiten, die später im Vokabular angeboten werden. Das Institut für Sound & Vision etwa stützt sich auf das Know-how der surinamesischen Community in den Niederlanden, das Team der Katholischen Universität Leuven arbeitet eng mit der kongolesischen Community in Belgien zusammen, die etwa archivierte Bilddokumente aus der Kolonialzeit für das Projekt mit eigenen Worten selbst beschreiben.

Zusammenarbeit mit Fachleuten für jüdische Studien

Das „Antisemitismus“-Vokabular trägt  das DFF unter anderem in Workshops mit Fachleuten für jüdische Studien und  jüdische Filmgeschichte zusammen sowie perspektivisch auch mit Bildungseinrichtungen gegen Antisemitismus und Rassismus.

Bevor das neue Tool im Herbst zum ersten Mal in die Europeana integriert wird, sollen das erarbeitete Vokabular und seine Kontextualisierung von Fachleuten und Allies auf Tauglichkeit und Richtigkeit überprüft und validiert werden.

„Es ist geplant, dass unser neues Tool samt Vokabular in der Europeana zum Einsatz kommt und so einen Beitrag dazu leistet, dass veraltete, potenziell verletzende Ausdrücke dort einmal angemessen kontextualisiert sind“, sagt Herlt. Im Nachgang soll es dann auch anderen interessierten Archiven für deren Datenbanken zur Verfügung gestellt werden. Hier kann es den Archiven dann dabei helfen, ihre eigenen Sammlungs- und Objektbeschreibungen automatisiert nach problematischen Begriffen zu durchsuchen und so dazu beitragen, dass Einträge lokal gezielt überarbeitet werden können.

Jüdisches Filmschaffen auf Filmportal sichtbarer machen

Ein zweites Standbein von DE-BIAS sei beim DFF, auf der Plattform zum deutschen Film filmportal.de, das Werk jüdischer Filmschaffender besser herauszustellen. Filmschaffende aus der sogenannten zweiten Reihe, aus Gewerken wie Schnitt, Kostüm oder Szenenbild, sollen sichtbarer gemacht und ihre Personeneinträge etwa mit Biographien und Fotos ausgestattet werden. Auf der anderen Seite sollen existierende Biographien verstärkt auf offensichtliche Brüche untersucht werden, wenn bei vereinzelten Filmschaffenden auf der Plattform etwa unklar ist, dass sie jüdisch waren, aber ihre beruflichen Biographien in den 1930er oder frühen 1940er Jahren auffällig plötzlich abbrechen.

Aufmerksamkeit schaffen, Kompetenzen bilden

Ziel des vom Digital Europe Programm der EU geförderten Projektes ist es, Aufmerksamkeit für das Problem des diskriminierenden Vokabulars in Archiven zu schaffen. Es gehe jedoch auch um Kompetenzbildung, betont Herlt. So seien Webinare und Workshops für Kultureinrichtungen ebenso geplant wie Empfehlungskataloge für Politik und Entscheidungsebene. Natürlich, so Herlt, sei DE-BIAS nur ein erster Vorstoß, der auf problematische Sprache in der Archiv-und Museumspraxis aufmerksam macht, „da wartet europaweit noch sehr viel Arbeit auf uns, die natürlich nur zu schaffen ist, wenn die entsprechenden personellen und finanziellen Ressourcen bereitgestellt werden“.

An dem Projekt sind neben dem DFF folgende Institutionen beteiligt:

Archives Portal Europe Foundation (Niederlande), ECCOM Centro Europeo per l’Organizzazione e il Management Culturale (Italien), Europeana Foundation (Niederlande), European Fashion Heritage Association (Italien), Katholische Universität Leuven (Belgien), Michael Culture Association (Belgien), Ministerium für Kultur und Kommunikation (Frankreich),  The Netherlands Institute for Sound & Vision (Niederlande). Für die technische Umsetzung sind ThinkCode (Zypern) und Datoptron (Griechenland) zuständig.

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Beitragsbild: Rudy and Peter Skitterians, Pixabay

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