Der digitale Nachrichtenmarkt wird von wenigen globalen Tech-Konzernen kontrolliert. Vielfalt, Datenschutz und demokratische Meinungsbildung haben dabei oft das Nachsehen. Das Projekt Demokratie-X will genau das ändern: Mit einer dezentralen, gemeinwohlorientierten und datenschutzfreundlichen Nachrichtenplattform soll eine Alternative entstehen, die europäischen Werten verpflichtet ist. Forschende aus mehreren Disziplinen entwickeln dafür ein tragfähiges Konzept – technisch, gesellschaftlich und rechtlich.
Interdisziplinäres Vorhaben
Demokratie-X ist als dezentrale, unabhängige Non-Profit-Plattform gedacht, die Nutzerinnen und Nutzern einen sicheren Raum für Nachrichtenkonsum und Austausch ohne Überwachung oder kommerzielle Profilbildung bietet. Das Projekt vereint Forschende aus Wirtschaftswissenschaften, Informatik, Soziologie und Rechtswissenschaft. Koordiniert wird es von Prof. Dr. Thomas Hess an der LMU München. Neben der LMU sind auch die Universitäten Kassel und Passau beteiligt.
Rechtlicher Grundstein für eine faire Nachrichtenplattform
Die rechtliche Ausgestaltung des Projekts liegt in den Händen der Universität Passau. Unter der Leitung von Prof. Dr. Kai von Lewinski, Dekan der Juristischen Fakultät und Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Medien- und Informationsrecht, arbeitet ein juristisches Team daran, eine tragfähige rechtliche Grundlage für die Plattform zu schaffen.
Im Mittelpunkt der Arbeit stehen zwei große Spannungsfelder: Datenschutz und Gemeinwohlorientierung. Diese beiden Ziele stünden sich nicht selten entgegen. Während der Schutz der Privatsphäre eine minimale Datenverarbeitung verlange, erfordere die Gemeinwohlorientierung mitunter die Verarbeitung bestimmter Informationen, etwa zur Qualitätssicherung oder zur Transparenz der Inhalte, so Prof. Dr. von Lewinski in einer aktuellen Veröffentlichung.
Bestandsaufnahme und rechtssichere Rahmenbedingungen
Die ersten Schritte des Passauer Teams bestehen in einer detaillierten Analyse des bestehenden Rechtsrahmens. Benedikt Leven, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand im Projekt, untersucht, inwieweit eine Plattform wie Demokratie-X schon heute rechtlich möglich ist und welche Anforderungen sie konkret erfüllen müsste. Parallel dazu arbeitet Lukas Köllnberger, ebenfalls wissenschaftlicher Mitarbeiter, an der Entwicklung eines rechtssicheren und praxistauglichen Konzepts, das Datenschutz, Fairness und Gemeinwohl miteinander vereint.
Ein zentrales Problemfeld ist dabei die sogenannte „Cookie-Müdigkeit“. Wie kann man Nutzerinnen und Nutzer umfassend informieren, ohne sie mit ständigen Einwilligungsaufforderungen zu überfordern? Auch solche praxisnahen Fragen werden juristisch von den Wissenschaftlern durchdacht.
Perspektive: Europaweite Dateninfrastruktur und demokratischer Mehrwert
Die technische Infrastruktur der geplanten Plattform soll auf Gaia-X basieren, einem europäischen Projekt für souveräne, dezentrale Datenräume. Dies entspricht dem Anspruch von Demokratie-X, eine europäische Alternative zu den zentralisierten Strukturen der großen US-amerikanischen Plattformen zu bieten. Gaia-X ermöglicht einen offenen, transparenten und interoperablen Datenaustausch auf Basis gemeinsamer Standards.
Ein Modell für eine vielfältige Medienlandschaft
Das BMBF-geförderte Projekt läuft bis 2027. Am Ende des Projekts soll ein umfassendes Konzept für eine Nachrichtenplattform stehen, die auf demokratischen Grundwerten, digitaler Selbstbestimmung und technischer Dezentralität basiert. Darüber hinaus sollen konkrete Design- und Handlungsempfehlungen entwickelt werden, die die Umsetzung einer solchen Plattform in die Praxis ermöglichen.
Damit will Demokratie-X nicht nur eine Vision, sondern auch einen konkreten Plan für eine faire digitale Öffentlichkeit jenseits der dominierenden Plattformlogiken bieten.
Quellen
Bild oben: Gerd Altmann, Pixabay