Nach sechs Jahren coronabedingter Pause feierte das Wiesbadener Mediensymposium am 25. März 2025 eine beeindruckende Rückkehr an die Hochschule RheinMain. In Kooperation mit der FKTG entstand eine Veranstaltung, die nicht nur mit hochkarätigen Vorträgen überzeugte, sondern auch Raum für Networking, Diskussion und praxisnahe Demonstrationen bot.
Die Tagung griff aktuelle Entwicklungen der Medienproduktion und -technologie auf – von Remote Production über KI in der Videocodierung bis hin zu Content-Authentizität.
Remote Production: Von der Theorie zur Praxis
Felix Scheuer (Logic media solutions GmbH) erläuterte das Konzept von Remote Production mit ST 2110 und JPEG-XS. Er zeigte anschaulich, wie sich die klassische Live-Produktion, bei der alle Komponenten physisch vor Ort vorhanden sind, zu einem modularen, verteilten System transformieren lässt. Besonders hervorgehoben wurden die Vorteile von JPEG-XS als verlustarme Kompressionstechnologie und ST 2110 als Netzwerkstandard, mit dem sich Signale IP-basiert und latenzarm übertragen lassen – eine Schlüsseltechnologie für moderne Remote Workflows.

Christian Barth (Sky) präsentierte die All-IP-Strategie bei Sky Sport mit einer Produktion „on prem“ und Origination in der Cloud. Die Herausforderungen? Immer mehr Live-Content bei gleichbleibenden Kosten. Die Lösung: Harmonisierung der Systemlandschaft, mit Skalierbarkeit und Zukunftssicherheit. In beeindruckenden Zahlen belegt: Über 100 TV-Kanäle laufen seit über drei Jahren fehlerfrei über die neue Infrastruktur. Ein UHD-IP-Master-Control-Switch ist bereits seit einem Jahr im Einsatz. Drei DE Event TV-Kanäle sind seit neun Monaten ohne Probleme auf Sendung und beweisen, dass Live-Playout in der Cloud funktioniert. IP- und softwaregesteuerte Produktionskomponenten erhöhen dabei die Flexibilität.
Automatisierung und Cloud-Orchestrierung: Mehr als Buzzwords
Lars von Oertzen (Skyline Communications) sprach über die Bedeutung von Automatisierung und Orchestrierung für Remote Production und Cloud-Workflows. In seinem Vortrag wurde deutlich, dass es bei „Digitaler Transformation“ nicht nur um neue Tools, sondern um ein fundamentales Umdenken geht: Prozessautomatisierung, durchgängige Datenflüsse und kollaborative Systeme sind essenziell, um den steigenden Anforderungen in der Medienproduktion gerecht zu werden. Beispiele aus der Praxis veranschaulichten, wie skalierbare und effiziente Produktionsumgebungen realisiert werden können.
Zukunft der Videokompression und -kodierung
Die Keynotes von Dr. Mathias Wien (RWTH Aachen) und Dr. Elena Alshina (Huawei) lieferten einen tiefen Einblick in aktuelle Entwicklungen der Videokodierung. Dr. Wien stellte neue Video-Coding-Algorithmen der Joint Video Experts Team (JVET) vor und beleuchtete die Rolle der visuellen Qualitätsbewertung (VQA) in der Standardisierungsarbeit. Besonders eindrucksvoll war der Ausblick auf die Evaluation neuer Kompressionsverfahren (z. B. ECM15), die gegenüber bestehenden Verfahren eine Effizienzsteigerung von bis zu 26 % versprechen – ein enormer Schritt in Zeiten wachsender Datenmengen.

Dr. Alshina legte den Fokus auf KI-gestützte Bild- und Videokodierung. Sie erläuterte, dass klassische Metriken wie CPU-Zeit nicht ausreichen, um moderne AI-Codecs zu bewerten. Beeindruckend: Der Bild-Codec E2E AI läuft bereits auf einem Smartphone (Encoder und Decoder). Mit Funktionen wie selektiver Decodierung, progressiver Decodierung oder ultraschnellem Encoding eröffnen sich neue Horizonte. Ihr Fazit: Es muss kein Entweder-oder zwischen klassischer und KI-gestützter Kodierung geben – vielmehr lassen sich beide Ansätze kombinieren.
Virtuelle Produktion: Potenzial und Realität
Ein weiterer Schwerpunkt des Wiesbadener Mediensymposiums lag auf der virtuellen Produktion. Prof. Stefan Albertz (Hochschule Hamm-Lippstadt) stellte das neue OSVP-Studio vor, das 2025 in Betrieb geht – eine in Deutschland einzigartige Einrichtung für Studierende der Computervisualistik. Mit LED-Stages und Motion Capturing erhalten angehende Medienprofis Zugang zu hochmodernen Produktionsbedingungen.

Ergänzt wurde das Thema durch Sebastian Burk und Michael Beil von der Hochschule der Medien Stuttgart. Sie brachten einen kritischen Blick auf das Thema ein: Virtuelle Produktion ist kein Wundermittel, sondern ein Werkzeug – und nicht jede Produktion profitiert automatisch davon. Eine fundierte Kenntnis der Technik, insbesondere bei der Lichtsetzung, ist essenziell, um wirklich hochwertige Ergebnisse zu erzielen.
Content-Authentizität: Vertrauen in digitale Medien
Ein besonders aktuelles Thema – die Authentizität von Bildinhalten – wurde gleich in mehreren Vorträgen aufgegriffen. Dimitri Biermann (Leica Camera AG) zeigte, wie die Kamera M11-P mit Content Credentials ausgestattet wurde und Inhalte bereits bei der Aufnahme kryptographisch absichert. Ein sicheres TPM-Modul, Zertifikate der Bundesdruckerei und ein aufwendiges Signaturverfahren sorgen dafür, dass Bildmanipulationen nachweisbar werden.

Kenneth Warmuth (WDR) und Dennis Weinmann (Adobe) führten das Konzept der C2PA-Initiative weiter aus. Sie stellten dar, wie Content Credentials in Aufnahmegeräte, Bearbeitungssoftware und Veröffentlichungssysteme integriert werden können. Die Idee: Eine Art digitale "Nährwertkennzeichnung" für Medieninhalte, die dem Nutzer Informationen zur Herkunft und Bearbeitung bereitstellt. Claus Pfeifer (Sony) präsentierte ergänzend die Kameralösung seines Unternehmens, die neben Metadaten auch Tiefeninformationen aufzeichnet und so eine besonders hohe Fälschungssicherheit bietet.
Networking, Wein und Wissenschaft
Neben den spannenden Vorträgen bot das Wiesbadener Mediensymposium auch Raum für informellen Austausch. Beim Get-Together mit rheinhessischem Wein und in den Pausen entstanden angeregte Gespräche zwischen Fachleuten, Studierenden und Forschenden. Darüber hinaus wurden in verschiedenen Laboren aktuelle Projekte der Hochschule RheinMain vorgestellt, was den Praxisbezug der Veranstaltung zusätzlich stärkte. Videos zu allen Themen hier.

Fazit: Medientechnik auf der Höhe der Zeit
Das Wiesbadener Mediensymposium 2025 war eine rundum gelungene Neuauflage, die zeigte, wie lebendig, vielfältig und innovationsgetrieben die Medienbranche ist. Gemeinsam mit Prof. Dr. Wolfgang Ruppel und dem Organisationsteam der Hochschule RheinMain wurde ein Format geschaffen, das Theorie und Praxis, Forschung und Industrie, Innovation und Erfahrung miteinander verknüpft.
Aufmacherbild: Prof. Dr. Rainer Schäfer, 1. Vorsitzender der FKTG, begrüßte die Teilnehmer.