Für das Forschungsprojekt „Kollisionen - Medienkollisionen als Innovationstreiber für neue Zugänge zum Kulturerbe“ wurde die Wohnung des sowjetischen Regisseurs Sergei Eisenstein an der Filmuniversität KONRAD WOLF in Virtueller Realität rekonstruiert. Am 18. April sollen das Projekt, die dazugehörige Website und VR-Erfahrung erstmals der Öffentlichkeit präsentiert werden.
Wie können digitale Technologien einen Ort, den es nicht mehr gibt, zu neuem Leben erwecken? Können wir diesen Erfahrungsraum sinnlich erschließen? Können wir ihn gleichzeitig intellektuell erkunden?
Ein Team unter der Leitung von Tatiana Brandrup, Gastprofessorin an der Filmuniversität, und von Prof. Marian Dörk, Fachhochschule Potsdam, hat sich im Rahmen des wissenschaftlich-künstlerischen Forschungsprojekts „Kollisionen“ – ein Kooperationsprojekt mit der FH Potsdam, gefördert aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und des Landes Brandenburg (EFRE) – der Frage gewidmet, wie das gedankliche Universum Sergei Eisensteins und seine Lebensräume für die Forschung aber auch für eine interessierte Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können. Gleichsam erforschte das multidisziplinäre Team neue digitale Formen der Darstellung und Visualisierung kultureller Sammlungen – in Virtual Reality (VR), Informationsvisualisierung (InfoVis) und 3D-Sound.
„Eisensteins Relevanz als sowjetischer Künstler für unsere Zeit liegt nicht nur in seiner Position als einer der Gründerväter der europäischen Avantgarde. Sein Verständnis von kultureller Vielfalt ist gerade in der heutigen Welt hochaktuell: In Eisensteins Universum begegnet man der Gedankenwelt anderer großer Geister Europas, Amerikas und Asiens. Seine künstlerische Vision war zum Beispiel verwandt mit der Arbeit der Koryphäe der Peking-Oper, Mei Lan Fang, des Iren James Joyce, des mexikanischen Malers Jose Clemente Orozco und des afroamerikanischen Schauspielers Paul Robeson. Die Formulierung neuer gesellschaftlicher Visionen über alle Grenzen hinweg ist immer noch eine der zentralen Aufgaben von Kunst. Auch das beginnende 20.Jahrhundert war eine Zeit der Suche nach Utopien. Diese Atmosphäre des Aufbruchs und der Möglichkeit wollen wir zugänglich machen“, so Tatiana Brandrup.
In einer aktuellen Veröffentlichung der Filmuniversität heißt es, die Wohnung Eisensteins zeuge von den umfangreichen Interessen und Entdeckungen des Forschers, „Enzyklopädisten“ und Erneuerers – sie sei nicht nur Wohnsitz, sondern ein künstlerisches Labor gewesen - gleich einer Installation, einer „Montage“ aus Objekten, Bildern und Fotos.
Der Filmhistoriker Naum Kleiman baute nicht nur das Sergei-Eisenstein-Archiv auf, sondern entwickelte dessen Wohnung über Jahrzehnte zu einem lebendigen Zentrum der Eisenstein-Forschung. „Sergei Eisenstein wurde nicht wie Bach für hundert Jahre vergessen. Aber für vierzig Jahre war er in die Ferne gerückt. Er war „nicht aktuell“ (…) Die ganz junge Generation, die digital arbeitet, sieht Eisensteins Ideen mit anderen Augen. Sie hat plötzlich wieder Interesse an der Theorie des Films und beginnt, seine Filme zitieren und Bücher zu lesen. Es weckt Hoffnung“, so Naum Kleiman zum wiedererwachten Interesse an Eisenstein. Die Europäische Filmakademie erklärte „Eisenstein’s House“ schließlich zum Weltkulturerbe. Doch im Zuge der politisch bedingten Demontage des Moskauer Filmmuseums wurde die zugehörige Wohnung 2018 aufgelöst.
Projektvorstellung: Sergei Eisenstein und sein „global village“
Unter diesem Titel lädt „Kollisionen“ am 18. April 2024 um 16.30 – 18.00 Uhr alle Interessierten ein ins Atrium der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF (Marlene-Dietrich-Allee 11, 14482 Potsdam) zur Projekt-Präsentation mit Kurz-Vorträgen, Film-Ausschnitten und einem Podiums-Gespräch mit Projektleiterin Tatiana Brandrup (Filmuniversität), Prof. Marian Dörk (FH Potsdam), Naum Kleiman (ehemaliger Direktor des Moskauer Filmmuseums und Träger der Ehrenprofessur der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF) sowie Vera Rumyantseva Kleiman (Kuratorin der Eisenstein Wohnung). Es moderiert Ulrich Gregor.
Die zugehörige Projekt-Website und die VR-Erfahrung werden an diesem Abend vorgestellt. Auch nach der Veranstaltung soll die VR-Erfahrung an der Filmuniversität zugänglich sein.
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Bild: © Tatiana Brandrup, Animationen: Alexei Tcherny